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"Nationalblatt Nr. 123, Jahrgang 8 vom 31.05.1937, Neuwieder Beobachter. LHA Koblenz, Außenstelle Rommersdorf1."

Bauer Johann Strecker meuchlings ermordet

So titelt der Neuwieder Beobachter in seiner Ausgabe vom 31.05.19371.

Oberhalb von Wollendorf, nicht weit von Hüllenberg (heute: Stadtteil Neuwied-Feldkirchen), nach Norden, eingebettet zwischen Wäldern, liegt der Gebranntenhof.
Johann Strecker war dort am 05.05.1879 als Sohn der Eheleute Friedrich Wilhelm Strecker und Wilhelmine, geb. Bollenbach geboren. Ergänzender Hinweis: "Heirat am 27.05.1905 vor dem Standesamt in Heddesdorf mit Sophia, geb. Lichtenthäler * 02.07.1882 in Rodenbach": Zitiert aus: Die Einwohner von Feldkirchen – Teil III, Nr. 2512.
Seine Eltern hatten von Heddesdorf bzw. Simmern kommend den Gebranntenhof übernommen.

Streckerhof in Neuwied-Feldkirchen

Der "Gebranntenhof" - Hof der Familie Strecker in Neuwied-Feldkirchen

Johann Strecker, der Ermordete, war – wie der Neuwieder Beobachter schreibt: Das Vorbild eines nimmermüden rastlos schaffenden Mannes. Er war einer von den Stillen im Land. Er machte nicht viel Worte, sondern war ein Mann der Tat und der ruhigen Arbeit, im Betrieb wie in der Öffentlichkeit. Johann Strecker gehörte u. a. dem Kreisvorstand in der Kreisbauernschaft an, war mehrere Jahre Kreisobmann und damit stellvertretender Kreisbauernführer und zuletzt noch Kreissachwart für Ackerbau. Er war Vorsitzender des Pachtschiedsgerichts der Kreisbauernschaft und Mitglied des Pachteinigungsamtes. Sein Betrieb war als Lehrhof für den bäuerlichen Nachwuchs anerkannt; er selbst Mitglied der Prüfungskommission für das landwirtschaftliche Lehrlingswesen.

Zeitungsartikel über den Mord an Johann Strecker

Der von 1949 bis 1967 an der Schule in Hüllenberg tätige Lehrer
Hans Elfert beschreibt den Mord in seiner Schulchronik wie folgt:

Zitat aus: Schulchronik Hüllenberg, 3 Bände 1883 bis 1967, hier Band I – LHK Koblenz, Außenstelle Rommersdorf, Best. 630,510 Nr. 41

Der Großvater des Ermordeten stand, nach den Aussagen seines Enkels, noch nicht in glänzenden Verhältnissen. Mühsam brachte er seine Familie durch. Was aber Bauernfleiß fertigt bringt, zeigte der Ermordete. Ungefähr 150 Morgen liegen um den Hof herum und gelten zusammen, weit über die Grenzen des Kreises Neuwied hinaus, als Musterwirtschaft, sein Besitzer als Musterbauer. Seit dem Jahr 1920 kenne ich diesen lieben und edlen Menschen. Keine landwirtschaftliche Ausstellung habe ich besucht, wo ich nicht den Erbhofbauern Strecker unter den Ausstellern fand. Seit 1920 kannte ich ihn, weil wir viele Jahre zusammen Vorstandsmitglieder der Lokalabteilung Neuwied waren. Er vertrat die Sektion Landwirtschaft und ich die Bienenzucht. In jeder Ausstellung wurden seine Produkte ausgezeichnet. Auch außerhalb des Kreises besuchte er Ausstellungen und Bauerntagungen. Er war eine geachtete Persönlichkeit unter jung und alt.

Es ist der 28. Mai, nachmittags 2 Uhr. Ich benutze den Kreisomnibus, um nach Neuwied zu fahren. An der Wollendorfer Schule steigt auch Herr Strecker ein. Wir unterhalten uns noch über landwirtschaftliche Fragen. In Neuwied trennen wir uns, um uns nie mehr zu sehen. Er wurde am Freitagabend gegen 21.30 Uhr auf dem Nachhauseweg, in der Nähe seines Hofes, überfallen. Er trug einen größeren Geldbetrag bei sich, da er beabsichtigte, am Samstag zur Reichsnährschau in München zu fahren. Auf dem sogenannten "Heckenpfad", nur wenige hundert Meter vom Gebranntenhof entfernt, wurde er von einem bislang noch unbekannten Täter durch mehrere Schüsse schwer verletzt. Der hinterhältige Schütze, der ein mittelgroßer Mann gewesen und hinter einem Busch gestanden haben soll, schoß aus einer Entfernung von nur wenigen Metern. Beim ersten Schuß verspürte Johann Strecker einen Schlag. Er wurde sich jedoch noch bewußt, daß es sich um einen Schuß handelte, als er aus der Mordwaffe weiteres Feuer aufblitzen sah. Nach den ersten Schüssen wandte er sich halbrechts um, schleppte sich dann aber, nachdem er dem flüchtenden Mörder noch etwas zugerufen hatte, bis in die Nähe seines Hauses. Die Ärzte bemühten sich, aber leider vergeblich, es konnte ihm nicht mehr geholfen werden. Nach 24-stündigem Leiden wurde er durch den Tod erlöst. Viele Tage frug man sich: Wer ist der Mörder des Johann Strecker?

Ein langer Trauerzug zeigte die herzliche Anteilnahme der näheren und weiteren Umgebung an dem Tode des Ermordeten.

Die Polizei suchte inzwischen mit Nachdruck nach dem Mörder. Zur Aufklärung des Mordes wurde neben engstem Zusammenwirken aller beteiligten Kriminal-, Gendarmerie- und Ortspolizeibehörden auch die Mordkommission Köln hinzugezogen. Und bereits eine Woche nach dem Mord konnte die Tat aufgeklärt werden.

Aber nicht nur die Polizei, auch die Männer der Dörfer um die Feldkirche beteiligten sich an der Suche nach dem Mörder. Hatte er bei seiner wohlüberlegten Flucht doch so einige Kleinigkeiten übersehen. So kam er am Mordtage gegen 11 Uhr in Wollendorf in eine Gastwirtschaft, wo er sich Zigaretten kaufte und an der allgemeinen Unterhaltung über die soeben dort bekanntgewordene Tat teilnahm. Hier allerdings wurden bereits Beobachtungen gemacht, die schließlich zur Ermittlung des Mörders führten. Es befanden sich sichtbar Kiefernnadeln an seiner Kleidung und seine Schuhe zeugten von einem Waldlauf.

Am 5. Juni 1937 bringt ein Extrablatt des Neuwieder Nationalblattes die Mitteilung: "Ein 16-jähriger der Mörder!". Moralisch schuldig ist an dem Raubüberfall auf den Erbhofbauer J. Str. v. Gebranntenhof bei Wollendorf ein Andernacher Waffenhändler!"

Der Mörder verhaftet

Am 7. Juni 1937 bringt der Neuwieder Beobachter die Mitteilung: "Der Raubmörder ein Jugendlicher!".

Als Mörder des am Freitag, dem 28.5. auf dem sogen. Heckenpfad bei Wollendorf über-fallenen Bauern J. Str. v. Gebr. Hof wurde am gestrigen Freitagabend der 16-jährige Anstreicherlehrling Hermann St. aus Wollendorf verhaftet. Der jugendliche Verbrecher hat ein umfassendes Geständnis abgelegt und befindet sich im Gerichtsgefängnis Neuwied.

Wegen ungesetzlichen Waffenverkaufs und somit als moralisch Mitschuldiger an dem feigen Morde wurde am heutigen Tage der Waffenhändler Peter L. aus Andernach, Schafbachstr. 20a verhaftet. Nachdem er seine Verfehlungen zugegeben hatte, wurde auch er dem Gerichtsgefängnis zugeführt. Er erhielt später 4 Wochen Gefängnis.

Schließlich wurde am heutigen Samstagmittag ein Bruder des Mörders, der 25-jährige Friedrich St. aus Irlich, der sich in unerlaubtem Besitz einer Pistole befand und höchst- wahrscheinlich von dem unerlaubten Waffenbesitz seines Bruders Kenntnis hatte, festgenommen.

Nach Aussage des Mörders hat er am Tage der Tat in dem Augenblick den Entschluß gefaßt, Johann Strecker zu überfallen und zu berauben, als dieser seinem Vater in seinem elterlichen Hause eine größere Rechnung bezahlte. Sein Bruder sagte ihm, Strecker habe noch viel Geld bei sich gehabt. Daraufhin bewaffnete er sich mit einer Walter P.P.K-Pistole und eilte nach dem Heckenpfade, wo er auf den armen Menschen wartete. Aus nächster Entfernung gab er dann 5-6 Schüsse auf sein Opfer ab. Der zu Tode getroffene Bauer schleppte sich noch bis zu seiner Wohnung, wo er dann zusammen brach. Im Krankenhause zu Neuwied stirbt unter schrecklichen Schmerzen der arme Mann.

Ein Bruder des Mörders, der 25-jährige Friedrich St. aus Irlich wurde als Dritter ebenfalls festgenommen.

Am 14. August fällte das große Jugendgericht gegen den Raubmörder das Urteil. Es verurteilte nach mehr als neunstündiger Verhandlung den am 16.1.1921 geborenen Malerlehrling Hermann St. aus Wollendorf bei Neuwied wegen Mordes, wegen schwerem Einbruchdiebstahle (bei seiner Tante in Wollendorf) und wegen verschiedener Schußwaffen-vergehen zu einer Gesamtstrafe von 8 ½ Jahren Gefängnis. Die zur Tat benutzte Waffe wird eingezogen. Es erfolgt Anrechnung der Untersuchungshaft, doch wurde die bei Jugendlichen mögliche Bewährungsfrist abgelehnt.

Gedenkstein für Johann Strecker im Märkerwald Neuwied-Feldkirchen

Gedenkstein für Johann Strecker im Märkerwald - Neuwied-Feldkirchen

Nachsatz

Der Mörder Hermann St. konnte offensichtlich aus dem Gefängnis in Wittlich entfliehen und sich eine neue Waffe "besorgen". Auf seiner Flucht geriet er in einen Wald, konnte jedoch von der Polizei gestellt werden. Im Wald von der Polizei eingekesselt, flüchtete St. auf eine Fichte. Die Ausweglosigkeit der Situation erkennend, erschoss sich der Mörder und fiel der Polizei im wahrsten Sinne des Wortes vor die Füße .

Hinweis: So erzählte es Helmut Velden, Feldkirchen, vor seinem Tod, seinem Schwiegersohn Guido Klein, Feldkirchen. Helmut Velden kannte den Mörder persönlich. Er hatte mit ihm zusammen die Berufsschule im Anstreicherhandwerk besucht.

Einer anderen noch heute in der Feldkircher Bevölkerung vorhandenen Erinnerung zufolge, soll St. auf seiner Flucht aus dem Wittlicher Gefängnis noch einen Wärter (dem er vermutlich die Waffe entwendet hatte) erschossen haben.
Auch, dass St. vor seiner Festnahme weiter seiner Arbeit nachging und bei Anstreicherarbeiten im Krankenhaus Neuwied direkt neben dem Patientenzimmer, in dem der schwerverletzte Johann Strecker lag, eingesetzt war, ist von den ältesten Einwohnern Feldkirchens zu erfahren.

Stand: 24. März 2016

Text:              Beate Busch-Schirm, Neuwied-Feldkirchen
Bildmaterial: Beate Busch-Schirm und Otmar Rüdig, Neuwied

Dieser Artikel wurde auch im "Heimat-Jahrbuch 2016 - 200 Jahre Landkreis Neuwied" publiziert.